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Strandstr. 1 | 17459 Seebad Kölpinsee/ Loddin

- Aus Feldstein wird Bernstein

Klassik am Meer spielt in der Seerose

Ein Leben ohne Kunst und Kultur – auf gar keinen Fall! Die zurückliegenden Monate haben uns allen offenbart, wie sehr wir die Einflüsse des kulturellen und künstlerischen Zusammenspiels in unserem Leben brauchen. Kunst und Kultur bilden Zusammenhalt, lassen uns über den Tellerrand hinaus schauen, bieten uns Abwechslung und Freude und dienen nicht zuletzt als essenzielle Wissens- und Bildungsquelle für uns alle. Klingt jetzt fast schon systemrelevant, um es mit einem der meist genutzten Wörter des Jahres 2020 (Platz 6 im Ranking der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V.) zu beschreiben. Und genau weil Kunst und Kultur das vielleicht auch ein Stück weit sind, hisst die Schaupielreihe Klassik am Meer nach dem Sturm des letzten Sommers nun wieder ihre Segel und startet auf der Insel Usedom in ihre 21. Spielzeit. Endlich darf wieder gespielt werden und das an keinem geringeren Ort als im Bernsteinsaal des Strandhotels Seerose in Kölpinsee. Hier, wo sich einst schon Schauspiellegenden wie Willy Fritsch, Lilian Harvey, Hans Söhnker, Anni Ondra, Brigitte Horney, Grete Weiser, Zarah Leander, Pola Negri und Ernst Waldorff im ehemaligen Hotel „Seerose“ die Klinke in die Hand gaben, wird erneut großer Schauspielkunst eine Bühne geboten.   

Aus Peer Gynt wird Mein Kampf 

Seit 1999 finden in den Sommermonaten regelmäßig Aufführungen der Klassik am Meer Reihe auf der Insel Usedom statt. Jürgen Kern, Gründer und Mitglied des Leitungsteams des Vereins „Klassik am Meer“, inszenierte in den letzten Jahren Theaterstücke wie Hofmannsthals "Jedermann", Goethes "Faust", Brechts "Galileo Galilei", Lessings "Nathan" sowie Mozarts "Bastien und Bastienne“. Seit jeher fanden die Aufführungen ein Zuhause in der im 13. Jahrhundert erbauten Feldsteinkriche im Ostseebad Koserow. Morsche Balken im Kirchendach zwingen die Veranstalter nun aufgrund umfangreicher Baumaßnahmen zu einem vorübergehenden Spielstättenwechsel. Der ältesten Kirche an der Usedomer Außenküste sei an dieser Stelle ihre Rundum-Erneuerung gegönnt.

Natürlich wirkt sich so ein Spielstättenwechsel auch auf die Auswahl des Programms aus. Die große, hellhörige und altertümliche Kirche in Koserow bietet ganz andere Voraussetzungen als der mit einer Deckenhöhe von lediglich 2,95 Metern ausgestattete Bernsteinsaal der Seerose. So ist es wenig verwunderlich, dass sich das Team von Klassik am Meer am Ende des vergangenen Jahres gegen das Drama rund um den Antihelden Peer Gynt entschied. Doch nicht selten bringt eine Veränderung auch gleichzeitig neue Chancen und Möglichkeiten mit sich. Aus Koserow wird Kölpinsee, aus Kirche wird Hotel, aus Peer Gynt von Henrik Ibsen wird Mein Kampf von George Tabori. Regisseur Philip Tiedemann, der u.a. am Burgtheater Wien, dem Berliner Ensemble und am Schlosspark Theater Berlin gearbeitet hat – und immer noch arbeitet – war der erste, dem der groteske Klassiker Mein Kampf von Tabori für die aktuelle Spielzeit in den Kopf kam. Nicht zuletzt war es der histrorische Hintergund des Ortes, der ihn dazu bewegte.

Groteskes Stück auf historischem Grund

Raketeningenieur Wernher von Braun war während seiner Tätigkeit als technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde ab 1937 wiederholt Gast in der damaligen Seerose. Was sich damals für Anekdoten in der Kölpinseer Seerose abspielten, welche Entscheidungen bei Wein und Whiskey getroffen wurden, ist nur zu erahnen. Wo lässt sich also die unglaubliche Begegnung des jungen Adolf Hitlers mit den beiden Juden Schlomo Herzl und Koscher-Koch Lobkowitz besser erzählen als hier.

Taboris Stück spielt in einem kellerartigen Männerasyl in der Wiener Blutgasse im Jahre 1910. Hitler, noch grün hinter den Ohren, mit ein paar Aquarellen in der Tasche und mit dem festen Entschluss in Wien Kunst zu studieren, wird von Herzl getröstet nachdem er an der Kunstakademie abgelehnt wurde. Ausgerechnet Herzl ist es, der mit seiner bizarren Fürsorge aus dem jämmerlichen Adolf Hitler den Hitler macht, den die Geschichte kennt.

Mein Kampf ist George Taboris bekanntestes Stück. 1987 feierte es im Wiener Akademietheater Premiere und begeisterte das Publikum. In mehr als 190 Inszenierungen wurde das Stück weltweit aufgeführt. Tabori, der 1914 in Budapest geboren wurde, lebte ab 1935 in verschiedenen Ländern. Er emigrierte über Wien und Prag nach London, siedelte 1947 in die USA über und zog 1969 nach Deutschland. In einem Interview zu seinem 90. Geburtstag in der Süddeutschen Zeitung sagte Tabori einst, im Theater vielleicht seine einzige Heimat gefunden zu haben. Tabori starb 2007 in Berlin. 

In diesem Jahr findet Taboris Meisterwerk Mein Kampf nun einen Platz im Bernsteinsaal des Strandhotels Seerose auf der Insel Usedom. Das Ensemble von Klassik am Meer, darunter die Schauspieler Oliver Nitsche (Herzl), Stephan Bürgi (Lobkowitz), Fabian Stromberger (Hitler), Krista Birkner (Gretchen/Frau Tod) und Oliver Seidel (Himmlischst), bringt in zwei Stunden einen Klassiker der Schauspielkunst auf die Bühne, der zwischen realistischer Tragik und überzeichneter Groteske das ironische und schicksalhafte Zusammentreffen der Hauptcharaktere beschreibt. Ausgestattet wird das Ganze durch die Ideen und Mitwirkung des Bühnen- und Kostümbildners Alexander Martynow sowie dem technischen Leiter Ringo Behn. Martynow war in den letzten Jahren u.a. für das Theater Heilbronn, das Hessische Landestheater Marburg, die Vorpommersche Landesbühne Anklam, das Landestheater Detmold, das Theater Konstanz, die Landesbühnen Sachsen, die Comödie Dresden und das Theater Rudolstadt tätig. Auch mit der Schauspielreihe Klassik am Meer, insbesondere mit  Gründer Jürgen Kern, verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit.

Soloabende bereichern die Spielzeit 2021

Traditionell finden im Rahmen von Klassik am Meer an ausgewählten Tagen unterschiedliche Soloabende statt. „Im Leben gibt es keine Proben“ mit Carmen-Maja Antoni, „Tschick“ von W. Herrendorf mit Fabian Stromberger, „Und der Haifisch der hat Zähne“ mit Hellena Büttner, Peter Bause und Maria Bause am Klavier, „Im Bett mit dem Westen“ mit Franziska Troegner, „Aus dem Tagebuch eines Wahnsinnigen“ mit Thilo Herrmann, sowie „Junge, die alt aussehen und Alte, die jung geblieben sind“ ebenfalls mit Carmen-Maja Antoni stehen auf dem Programm der diesjährigen Spielzeit.

Karten für die Veranstaltungen können Sie direkt über die Website www.klassik-am-meer.de oder per E-Mail an karten@klassik-am-meer.de reservieren.
Wir wünschen allen Akteuren von Klassik am Meer eine erfolgreiche Spielzeit und allen Gästen unterhaltsame Vorstellungen.